Wanderung Raimeux vom 14. Mai

 

In zügigem Schritt geht Walter, unser Wanderleiter dem Waldrand entlang. Auf der Höhe der Champs du Crête biegt er abrupt nach rechts in den beinahe noch blätterlosen Buchenwald. Der schmale Pfad steigt nun etwas steiler um dann weiter oben in kurzen Serpentinen an Höhe zu gewinnen. Unter den Schuhen raschelt das dürre Buchenlaub. Die Einladung von Walter zu Kaffee und Gipfeli im kleinen Bistro beim Bahnhof Moutier haben alle elf Nasen merkbar aufgemuntert. Fröhlich plaudernd erreichen wir eine über den legendären Gorges de Moutier liegende Felsenkanzel. Unzählige sagenumwobene Geschichten berichten von allmächtigen Berggeistern, von boshaften Zwergen und von ebenso lieblichen wie verführerischen Feen, die in dieser gottverlassenen Gegend heimisch waren und gar manchem Reisenden fürchterlichen Schrecken einjagten. Auch am heutigen nebelverhangenen Tag könnten mit etwas Fantasie in verschwommenen grauen Nebelfetzen und sich darin verlierenden Wäldern Bilder und Silhouetten aus der so lebhaft erzählten wie umschriebenen einstigen Geisterwelt ausgemacht werden. Ein Blick in die Tiefe, wo neben der Birs Autos wie kleine „Zündholztruckli“ und die schleichende Eisenbahn wie ein Tatzelwurm sich fortbewegen, bringt einen in die Gegenwart zurück. Ueber einen blühenden Felsenbirnenstrauch werfen wir einen letzten Blick in die schroffen Kletterfelsen der Raimeux und zum „Spezial“ um nach der Durchquerung eines Waldstückes auf das offene Gelände von Les Maisonette zu gelangen. Ein kurzer Halt für einen Schluck Tee und weiter geht es über vereinzelt mit Tannen durchsetzte Weiden, durch eine typisch jurassische Landschaft, die an die Freiberge erinnert. Nach Les Joux wenden wir uns nach links zum SAC-Clubhaus der Sektion Delémont auf Le Bambois. Da Walter auch die volle Verantwortung für das Wetter trägt, führt er uns just in dem Moment ans Trockene als es wie aus Kübeln zu regnen beginnt. Alle klauben Regenhosen und Jacken aus dem Rucksack; nur Walter nicht. Mit einem schelmischen Grinsen stellt er einen guten Roten und einen süffigen Weissen auf den Tisch. Auch die mit dem SAC-Signet verzierten elf Gläser und etwas zum Knabbern fehlt nicht und so sehen wir uns im Nu unter dem schützenden Vordach einer Remise zu einem Apéro eingeladen. Nach kurzer Zeit wird unsere fröhliche Stimmung zur Haupt- und der plätschernde Regen zur Nebensache. Aber siehe da, wer hätte das gedacht, „s’hett ufghört“! Ganz oben bei der Raimeux de Grandval auf 1288 m liegt der Nebel etwas dichter. Bis hinunter nach Raimeux de Crémines ist es ein kleiner Katzensprung. Dort wartet das Mittagessen mit Suppe, Salat, Bratwurst und Rösti auf uns und das Besondere daran, draussen regnet es in Strömen. Ueber Raimeux de Corcelles gelangen wir zur Bahnstation Corcelles, wo wir die Zeit bei einem sauren Most oder einem Kaffee und mit Schwatzen vertreiben bis der Zug kommt. Wohlverstanden, wie könnte es anders sein, die ganze Zeit ohne Regen.

Walter, wir alle danken dir herzlich, denn du warst beinahe wie Baden-Powell ein vorbildlicher Pfadfinder, auch machtest du dem Weingott Bachus alle Ehre, und du hattest das Wetter wie der germanische Gewittergott Donar fest im Griff. Vorbildlich...und all das mit 77 (siebenundsiebzig) Jahren.

H.R. Odermatt