Nachdem
Lina, Sepp und Walter in Olten zu uns gestossen sind,
ist die Gruppe mit 16 Personen komplett. Bei fröhlichem Geplauder erreichen wir
so nebenbei und vor allem mühelos, das lieblich im Herzen des Emmentals
eingebettete Dörfchen Ramsei. Kaffee und Gipfeli sind nun vor dem Start der Wanderung gerade
richtig, denn für einen „Suuren Ramseier“
so ganz ohne Durst ist es noch etwas zu früh. Während dem Anstieg auf den Ramseiberg lässt sich die ungehobelte Landschaft mit der Emme im Haupttal und die durch Bäche abgetragenen
Seitentäler immer besser erkennen. Hier beginnt auch der Bauernlehrpfad mit den
geschickt gestellten Fragen über Feld, Wald und Hof, über den heutigen
Broterwerb des Emmentaler Bauern. Auf der ersten Anhöhe am Waldrand orientiert
Ueli über Land und Leute. Mit Ausnahme von Schwingerkönigen ist der im freiburgischen Murten geborene
Albert Bitzius, besser bekannt unter dem Pseudonym
Jeremias Gotthelf, auch heute noch der populärste Emmentaler. Seine 13 Romane
und 75 Erzählungen, geschrieben in nur 20 Jahren, verkörpern ein
sozialpädagogisches Werk aus dem Spannungsfeld des damaligen Agrarzeitalters
und der beginnenden industriellen Revolution. Er verstand die Bauernwelt mit
ihren Mägden, Knechten und Verdingkindern wie kein zweiter. Den schlitzohrigen,
geizigen Bauern und den raffsüchtigen Gnädigen Herren in Bern, den Von, den Auf
und Zu begegnete er mit provokantem Ton, was ihm gelegentlich einen saftigen
Nasenstüber oder mistkübelweise Rügen eintrug. Für
die Fortsetzung des gesellschaftlichen Themas mit adeligem Abstammungsausweis
ist dann Fritz, unser ältester Teilnehmer, auf folgende schalkhafte Weise
besorgt: Drei frisch verheiratete Blondinen sind auf dem Marktplatz in ein
angeregtes Gespräch vertieft. Die erste erzählt, ihr Mann sei etwas Besseres,
er sei ein Von. Da ereifert sich die zweite, das sei gar nichts, ihr
Angetrauter sei ein Von und Auf. Gelassen meint dann die dritte: Und meiner ist
auf und davon. - Frühling ist es hier oben auf einer Höhe zwischen 700 und 800
Metern noch nicht geworden. Riesige Scheunen und behäbige Häuser mit
grossartigen Gärten davor säumen den Wanderweg. Dass die Emmentaler „wärchen“ können, beweisen mächtige Lager von Tannenstämmen
am Waldrand, prächtig geschnittene Obstbäume und riesige, braunsaftende
Miststöcke. Wir wandern auf einer grandiosen Aussichtsterrasse. Die Alpenkette
hätte man imposant vor der Nase. Leider reicht unsere Sicht nur bis zur
verschneiten Schrattenfluh; was rechts davon liegt,
verschwindet hinter Wolken und Nebel. Wir sind zeitlich zu früh um vom Angebot
der Bäse-Wirtschaft auf dem Ranflühberg
zu profitieren. Von dort steigen wir ab zum Gehöft Obersbach mit seinem schönen
Riegelhaus und weiter auf dem Talboden zum Weiler
Ried mit stattlichen Bauernhäusern. Die zwischen 1776 bis 1858 erstellten
Bauten wurden mit Malereien und Inschriften als auch mit Meien
und riesigen Gärten schön gestaltet. Gebauert wird in
dieser Siedlung nicht mehr auf allen Höfen. Die Kulisse erinnert an
gotthelfsche Zeiten. Die Darsteller jedoch sind vom Fortschritt vertrieben
worden. Es sind auch Fremde aus der Stadt eingezogen. Vor einem Hauseingang ist
ein Schild mit der Aufschrift „emmentaler versicherung“ angebracht. Beim Taleinschnitt
Frittenbach steigen wir hoch zu den Gehöften auf dem Hochfeld. An einer
windgeschützten Stelle am Waldrand schmeckt das Mitgebrachte aus dem Rucksack
besonders gut. Später, nach dem Riblenberg wird
zwischen kahlen Laubbäumen und Tannenwald im Tal unser Ziel, Langnau, sichtbar.
Ueli hat uns nicht nur auf einer schöne Wanderung
geführt. Er hat uns zugleich ein Stück Heimat mit einzigartigen
Bauerngeschichten eröffnet. Dafür danken wir alle recht herzlich.
Hansruedi
Odermatt